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Berichte Ehemaliger

Hier ein sehr persönlicher Bericht unseres Kameraden OberstLt a.D. Manfred Hansen-Bues aus Heide über die Anfänge der Stellung Brekendorf:
 
 
 
ALLES AUF ANFANG,
 
das war das Motto für ein geschichtsträchtiges Datum, das bald ein Jubiläum feiern würde..

Vor 60 Jahren, am 01. Oktober 1959, übernahm die Luftwaffe die Radarstation BREKENDORF. Es war die erste ihrer Art in der BRD. Damit sicherte sie im 24-stündigen Dauereinsatz im festgelegten Bereich als CRP die Luftraumüberwachung innerhalb der NATO-Luftverteidigung als integrierter Bestandteil in Eigenverantwortung.
Nun, am 01.Oktober 2019, müsste man doch diesbezüglich etwas unternehmen. Mit einem ehemaligen Kameraden aus SCHLESWIG, StFw a. D. Egon (Jimmy) Eggert, war ich mir schnell einig. Wir luden erreichbare ehemalige Angehörige des Radarführungsdienstes der Luftwaffe zu einem Treffen ein. Der Termin lag günstig an einem Dienstag. Einen schriftlichen Plan brauchten wir nicht; wir machten das spontan - ein bewährtes Mittel.
So trafen wir uns am Dienstag, dem 01. 10.2019, mit zunächst 18 Teilnehmern im Wirtschaftsgebäude der Radarstation. Der sich dort jetzt im Einsatz befindliche AbgTZg 245 (die Genehmigung des Kommandeurs EinsFüBer 2 lag vor) stellte Geschirr zur Verfügung. Alles Weitere wurde in Eigenregie von uns geregelt. Um 10 Uhr nahmen wir ein Frühstück ein, das Jimmy mitgebracht und spendiert hatte. In vielen Gesprächen erinnerten wir uns, wie damals alles begonnen hatte. Es war mir gelungen, von den noch lebenden Offizieren – immerhin vier mit mir – einzuladen:
OberstLt a.D. Günter Pawlitzki aus Bayern, Claus Schultze-Thesing aus NRW und ich aus S-H als ehemalige Luftlage-/ Jägerleitoffiziere und Dieter Ostermeyer aus S-H als damaliger Leitender Technischer Offizier.
Anzumerken ist, dass wir zur Altersgruppe „uHu“ (unter hundert) gehören. Als junge Leutnante/ Oberleutnante dienten wir seinerzeit im Schichtdienst, anfangs zusammen mit dem britischen Personal im integrierten Verantwortungsbereich der 2. ATAF. In einem Kurzreferat berichtete ich über den Aufbau und Werdegang der Luftverteidigung in den Jahren 1955-1962.
Heute ist das kaum vorstellbar. Die Radarstation BREKENDORF wurde Anfang 1955 als einzige mit oberirdischen Einsatzräumen von der RAF gebaut. Dafür wurde das Gelände um den 104m hohen Lehnsberg requiriert. Dieser liegt in den „ Hüttener Bergen“, südöstlich von SCHLESWIG. Damit geschah dieser Vorgang noch vor dem 05.05.1955 als die BRD offiziell 15. Mitglied der NATO wurde.
Zum Abschluss unseres Frühstücks besichtigten wir noch den kleinen Traditionsraum und machten einen Rundgang durch den Stellungsbereich. Mit einer Spende in das Sparschwein des AbgTZug bedankten wir uns für die Unterstützung.
Der Nachmittag wurde für Interessierte zu Gesprächen und Besichtigungen in SCHLESWIG genutzt. Vor allem die TUK im Norden der Stadt, „ Auf der Freiheit“, war ein Besuch wert. Dort war die Luftwaffe damals mit der personell gemischten 2./ FlugMKp 341 stationiert. Aber auch die TSK Heer war vertreten mit dem sPiBtl 718 mit SeSchwBrKp 621 und einem FArtBtl 61. Die StOV hatte dort auch zunächst ihren Dienstsitz. Alle genannten Einheiten befanden sich in der Aufstellungsphase. Die Kasernenanlage war 1936 als Seefliegerhorst errichtet worden. Seit einigen Jahren ist nunmehr hier ein moderner Stadtteil entstanden. Erfreulicherweise sind die äußeren Umrisse sowohl des ehemaligen Offizierskasinos (heute Hotel und Restaurant „Strandleben“) als auch des Unteroffiziers-/ Mannschaftsheims und der Küche (soll bald Platz bieten für Praxen und eine Apotheke erhalten) geblieben. Dieses Gebäude wurde damals wunschgemäß in seinem Grundriss einem Flugzeug entsprechend (Draufsicht) errichtet und von allen der „Flieger“ genannt.
Bis September 1959 verzeichnete die Kompanie einen stetigen personellen Anstieg. Die Ausbildung und Einarbeitung der deutschen Soldaten erfolgte im laufenden Betrieb durch das Personal der RAF SU 296. Das RAF-Ausbildungsverfahren nannte sich OJT - on the job training. Die RAF SU 296 war auf dem Flugplatz Jagel untergebracht. In der ersten Septemberwoche erschien in der Radarstation ein Team von Stabsoffizieren aus dem HQ der 2. ATAF in RHEINDAHLEN. Das gesamte deutsche Luftwaffenpersonal aller Fachbereiche wurde im laufenden Einsatzbetrieb in Theorie und Praxis geprüft. Es diente der Beurteilung, ob die Eignung erreicht worden war, die Radarstation an die Luftwaffe zu übergeben. Das Prüfungsergebnis war positiv und das Übergabedatum wurde festgelegt.
Am Donnerstag, dem 01. Oktober 1959, fanden die Übergabe-/Übernahmeformalitäten statt.
Unsere Kompanie marschierte ab Ortsschild durch BREKENDORF zur Radarstation. Auf einem kleinen Antreteplatz positionierte sich links unser Ehrenzug unter meinem Kommando. Rechts daneben schloss sich die RAF-Einheit mit seinem Zugführer an. Von den zuständigen militärischen Kdo-Behörden war von der 2.ATAF Air Vice Marshall Crisham und seitens der Luftwaffe der KG LwUGrpN (MÜNSTER), GenMaj Harlinghausen anwesend. Hinzu waren Vertreter vom S-H Landtag, von den Kommunen etc. eingeladen worden.
 
Ein besonderes Erlebnis muss noch Erwähnung finden. Nur wenigen Soldaten wird so etwas widerfahren sein.
 
Am Samstag, dem 17.09.1960, verrichtete ich in der Tagschicht Dienst im CRP, zusammen mit einem Offizierskameraden. Das Erstellen der Luftlage war an Wochenenden relativ ruhig. Der militärische Flugbetrieb beiderseits des Eisernen Vorhangs entfiel weitgehend. Der zivile Luftverkehr bewegte sich noch in Luftstraßen (z.B. Amber 9 und Red 6 im Nordbereich). Bei der Identifizierung halfen die via Fernschreiben übermittelten Flugpläne und das Abhören des Sprechfunks der Zivilflugzeuge, die sich beim Einflug oder Verlassen der Kontrollzone an- bzw. abmeldeten (damals „Hannover Control“). Am Nachmittag erhielt ich einen Anruf vom Sector Controller, dass ich in Kürze die Alarmrotte des SOC 1 zu einem Übungseinsatz führen sollte. Die „DUTY BATTLE FLIGHT“, zwei Hawker Hunter MK 6 vom RAF-Flugplatz JEVER standen mir für 30 Minuten zum Üben zur Verfügung. Anschließend musste ich sie dann an das CRC BROCKZETEL übergeben. Auch dort sollte ein Jägerleitoffizier noch Gelegenheit zum Üben erhalten. Die Aufgaben als Jägerleit-/ Luftlageoffizier waren lizenzpflichtige Tätigkeiten. Zu deren „Inübunghaltung“ waren, ähnlich wie bei Piloten, bestimmte Kriterien vorgeschrieben. Während ich mit dem Führen der Alarmrotte beschäftigt war, merkte ich, dass sich im Nachbarraum irgendetwas tat. Nachdem ich meine Mission beendet hatte, stand plötzlich der Generalinspektor der Bundeswehr, General Heusinger, vor mir! Er befand sich in Begleitung von General Panitzki, Chef im Führungsstab der Streitkräfte. Der GenInspBw hatte inzwischen meinen Jägerleitauftrag an einem anderen Radarbildschirm beobachtet. Er bedankte sich bei mir und lobte meine englischen Sprachkenntnisse. Danach war der Truppenblitzbesuch beendet und per Hubschrauber verließ er die Station. Die ganze CRP-Besatzung hatte ja keine Ahnung, wie man sich in einem solchen Fall verhalten musste. Wir waren froh, dass wir unseren Auftrag nach so kurzer Zeit der Einarbeitung eigenverantwortlich durchführen konnten.
 
Von diesem Zeitpunkt an begann RAF SU 296 sukzessive eigenes Personal aus der gemischten Stellenbesetzung herauszulösen, wenn der Dienstposten durch einen deutschen Nachfolger aus der 2./FlugMKp 341 ersetzt werden konnte. Unsere Kompanie war bis Mitte 1961 derart personell in allen Fachbereichen angewachsen, dass sie überfordert war. Ein kriegsgedienter Chef, Hptm Langner  (Spitzname Hornblower), mit einem KpOffizier und KpTrupp konnte die überbordenden Aufgaben kaum noch bewerkstelligen.
 
Deshalb hatte der FüL angeordnet, die Organisationsform einer Abteilung vorzubereiten. Nach und nach wurde in der TUK das Stabsgebäude eingerichtet und die Umgliederung in III./ FmRgt 34 mit Stab und Stabskp, 5./ FmRgt 34 (Einsatz), 6./ FmRgt 34 ( Technik ) und LwSanSt/ III./FmRgt 34 eingeteilt. Offizieller Abschluss der Umgliederung mit militärischen Appell war Anfang Januar 1962. Der erste Kommandeur war Major Dr. Klee.
 
 
Am Freitag 16. und Samstag 17. Februar 1962 wurde Norddeutschland von dem schweren Orkan „VINCINETTE“ überrascht. Er verursachte in Schleswig- Holstein und Hamburg auch eine der größten Flutkatastrophen.
 
 
 
In der Radarstation BREKENDORF fiel das Rundumsuchradargerät, das Marconi T-80 aus. Die Antenne, ca. 28m breit und ca. 8 m hoch, war auf einem Drehkranz angebracht. Dieser hatte sich durch die übermäßig starken Orkanböen verkantet. Dies bedeutete eine Ausfall- /Reparaturzeit von ca. 6 Monaten. Dadurch entstand in der Luftraumüberwachung eine große Lücke, die geschlossen werden musste. Ich vertrat den Einsatzoffizier, OLt Sommerhoff, der später den GenStOffz-Lehrgang in Hamburg absolvierte. Nach gut einer Woche erschien nach Vorankündigung auf dem Dienstweg eine mobile Radarstation der USAF aus ULM. Deren Marsch von dort nach BREKENDORF war problematisch. Nur der Elbübergang bei LAUENBURG stand zur Verfügung. Der Verkehrsfluss wurde nach Prioritäten (Güterversorgung etc.) geregelt. Den Elbtunnel gibt es erst seit Dezember 1974. So trafen dann am Donnerstag, dem 22.02.1962, fünfzig militärische KFZ unterschiedlicher Größe, eine autarke Einheit, in der Radarstation ein. Außer dem Einheitsführer, einem Captain, gehörten zwei weitere Offiziere dazu. Die übrigen 47 Soldaten waren hochqualifizierte Sergeants aller Fachrichtungen und gleichzeitig militärische KFZ-Fahrer. Der Kdo-Führer versprach die Herstellung der Einsatzbereitschaft innerhalb von 6 Stunden. Es dauerte jedoch 6 Tage, denn die technischen Anpassungen musste sich die US-Einheit nocherarbeiten. Im November 1962 endete dieser Einsatz. Das T-80-Radar war wieder einsatzbereit.
 
Im September/ Oktober 1962 sollte unsere Abteilung an der Mitwirkung eines LV-Spielfilms teilnehmen. Ein 45-minütiger Farbfilm sollte zur Nachwuchsgewinnung gedreht werden. Hauptdarsteller waren die aktiven Soldaten im Führungssystem und in den Waffengattungen, LRB etc. Das bedeutete, dass Typen ausgesucht und Dialoge eingeübt werden mussten.
Im August fanden mit dem Drehbuchautor und Regisseur, Herr Egon Wothe von der DIDO-Film GmbH DÜSSELDORF intensive Gespräche in Schleswig statt. Mein Kommandeur hatte wieder mich dazu ausgewählt. Herr Wothe und ich waren uns sofort sympathisch.
Er bestand beim Auftraggeber FüL II 6 darauf, mich für einen bestimmten, wichtigen Teilbereich als Projektoffizier einzusetzen, was auch geschah. Das größte zu lösende Problem bestand darin, ein Sector Operation Center, einen LV-Führungsgefechtsstand nachzubauen.
Im realen SOC durfte nicht gedreht werden. In der TUK SCHLESWIG stand zwischen zwei Kompaniegebäuden eine große ungenutzte Baracke aus grauer Vorzeit. Die eignete sich gut für das Vorhaben. Da ich vor meiner Dienstzeit bei der Firma Franke und Heidecke (Rolleiflex; Rolleicard-Kameras) 1956 den Gesellenbrief „Technischer Zeichner“ in BRAUNSCHWEIG erworben hatte, wusste ich, wie nun die erforderlichen Bauzeichnungen hergestellt werden mussten. Innerhalb von zwei Tagen waren diese fertig gestellt, und nun musste via StOV Material in benötigten Formen/ Maßen beschafft werden, was sehr zügig erfolgte. Den Aufbau bewerkstelligte Fachpersonal der StOV und handwerklich begabte Soldaten aus der Abteilung. Drehbeginn war Mitte Oktober. Die einzelnen Szenen wurden so oft geübt, dass nur ein Take erforderlich war. Die Sequenzen mussten anschließend vom Filmteam (11 Personen) zum Entwickeln nach HAMBURG in ein Kopierwerk gebracht werden. Am folgenden Vormittag konnten diese im Kino „Capitol“ in SCHLESWIG begutachtet werden. Der neue Kommandeur, OberstLeutnant Ortmann, wurde für die Szenen als Sector Commander zum Brigadegeneral „befördert“. Die notwendigen Uniformteile wurden bei der KKBw in HAMBURG besorgt. Ein hilfsbereiter Schneidermeister in der Kreisstadt unternahm die Uniformveränderungen.
 
Vor der Rohschnittabnahme des ganzen Films durch FüL II 6 übertrug mir der Regisseur noch eine lukrative Aufgabe. Meiner künstlerischen Begabung zufolge, durfte ich alle bei Filmen übliche Schriften herstellen (z.B. Titel, Nachspann etc.). Dafür erhielt ich 500,00 DM bar auf die Hand.
Als Zwischenbemerkung will ich verdeutlichen, dass die vielen geschilderten Geschehnisse auch geschichtlich von Interesse bleiben sollten.
Nun zurück zu unserem Jubiläumstreffen.
Um 17 Uhr versammelten wir uns nochmal im Hotel und Restaurant „Ruhekrug“, ca. 2 km nördlich von SCHLESWIG gelegen. Als einer der Gastgeber spendierte ich die erste Runde beim Beercall. Ab 19 Uhr wurde ein Essen gereicht, das jeder auf eigene Rechnung beglich. Im Vorwege hatte „Jimmy“ aus der Speisekarte vier Gerichte ausgewählt, mit der Küchenleitung besprochen und auf eine Karte setzen lassen. Diese wurde herumgereicht, sodass jeder das ankreuzen konnte, was seinem jeweiligen Wunsch entsprach.
So konnte jedes Gericht zeitgleich serviert werden.
In vielen Gesprächen wurden Anekdoten erzählt, die jeder bisher so erlebt hatte. Ausdrücklich gewürdigt wurden auch die Portepee-Unteroffiziere der Anfangszeit. Sie waren Kriegsteilnehmer gewesen und verfügten über viel Lebenserfahrung. Ihre Unterstützung half uns jungen Offizieren enorm. Auch im Verhältnis der nun großen Zahl an Wehrpflichtigen gelang es ihnen, das Gefühl für Kameradschaft zu entwickeln.

Nach einem langen Abend nahmen wir alle Abschied voneinander und waren uns darüber einig, dass es ein sehr gutes Wiedersehen war.
 
Zum Schluss ein Zitat von Hans Fallada: „MAN MUSS SEIN HERZ AN ETWAS HÄNGEN, DAS SICH LOHNT“
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